Die Geschichte meiner neuen Ausstellung im April 2025 Jutta Schwöbel 1952 – 2024 , Kunstfotografin
Es war ein Tag im Juli 2024 , an dem ich hinter der verschlossenen Tür meiner Boutique aufräumte. Da klopfte es plötzlich an meiner Tür. Ich öffnete und ein Mann stand davor der mich fragte, ob ich mir nicht die Sachen seiner verstorbenen Schwester anschauen könne. Er löse gerade ihren Haushalt auf. Was dem folgte war so unglaublich und am Ende wunderbar. Ich begegnete einer Frau im Jenseits und holte sie auf besondere Art nochmal ins Jetzt.
Und so stand ich dann ein paar Tage später in Juttas Wohnung. Das erste was ich sah, waren überall an den Wänden große Fotos in schwarz-weiß. Ich war umgehend schockverliebt in diese Ansichten und in meinem Kopf ratterte es permanent. Juttas Bruder erzählte mir an diesem Tag viel aus ihrem Leben und Schaffen. Ja und nun wohin mit all den Werken ? Meiner spontanen Idee, noch einmal eine Ausstellung mit Juttas Bildern zu machen , war er gleich aufgeschlossen. Eine gute Bekannte meinerseits, Vorsitzende eines hiesigen Kunstvereins Kunstwasserwerk, solle sich den künstlerischen Nachlass anschauen und entscheiden. Gesagt , getan und auch sie war schlagartig fasziniert von den Fotos und meiner Idee. Allein der organisatorische Aufwand verhinderte dann diesen Plan.
Juttas Bruder Frank, archivierte also fleißig weiter und so manches Bild ging in meinen Besitz über. Aber auch wenn die Ausstellung in Groß nicht realisierbar war, konnte sie doch in Klein passieren. So dachte ich intensiv über eine Ausstellung in meiner Boutique nach und bastelte an der Umsetzung. War mir doch mit Monika Woytowicz ein kleiner Achtungserfolg gelungen. Ich traute mich also , und tauchte mit Franks Hilfe tiefer in Jutta Schwöbel Leben ein. Die Geschwister hatten ein gutes Verhältnis zueinander und Frank war immer über die künstlerische Reise seiner Schwester auf dem Laufenden. Ich stellte Fotos zusammen , wichtige Stationen und gesetzte Achtungszeiten von bemerkenswerten Fotoserien. Es eröffneten sich mir Details aus ihrem Leben, ihrem denken und fühlen. Neben Einzelbildern, konnte ich dann bei der Eröffnung, Ausschnitte wichtiger Serien aus Juttas Arbeiten vorstellen und kommentieren.
Jutta hat den Schriftsteller Tschingis Aitmatov (TA) verehrt, hatte alle seine Bücher gelesen und kam eines Tages auf die Idee einer Bilderserie, die auf Sylt entstand. Pferde und Landschaft verwob sie miteinander und dachte dabei an die Heimat des Kirgiesen Aitmatow. Die Serien bekam den Namen : Hommage an Tschingis Aitmatov. Damit nicht genug. Jutta schrieb ihm einen Brief und bekam Antwort. Daraus entwickelte sich ein gemeinsames Projekt , welches in einem Kunstbuch gipfelte und die Aufmerksamkeit des Museum auf Modern Art in New York erregte. Das Museum kaufte dieses Werk auf. TA hatte Texte zu Juttas Bildern geschrieben, Warum ihn diese Projekt reizte ? Wir werden es nie ganz wissen. Fest steht :Jutta hat mit ihrer Arbeit über die Berglandschaften im Vergleich mit den Formen der Pferde etwas geschaffen, das einem wirklich das Gefühl gibt : Sie war dort. Nicht auf Sylt, sondern in Kirgisien. Die Literatur TA muss sie zutiefst berührt und inspiriert haben. Sein Text zu ihren Bildern wurde dann in der Presse auch so kommentiert :
Der neue Text des kirgiesischen Autor T.A. für dieses Künstlerbuch ist kräftig , dicht wie das Epos „Manas“
Dazu muss man wissen, das Epos „Manas“ umfast 500 000 Verse ! Dieses Lob war an Größe nicht zu übertreffen und dafür hatte Jutta Schwöbel mit ihren Fotos den Weg geebnet . Beider kreativer Arbeit ist nun im „Lied des Aykin“ festgehalten, ihr gemeinsames Kunstbuch , umgesetzt durch einen genialen Buchdrucker aus Hamburg. Dessen Kreationen wiederum schmücken so manches Museum weltweit.
Über die Jahre hat sich Juttas Können immer mehr verfeinert. Eine für mich unglaubliche Reihe ist ihr unter dem Titel „ Letters to oder Die Ästhetik des Verschwindens „ gelungen. Kunst geschieht einfach vor unserem Auge und wir können Sie aufheben, sie drehen und wenden und ihr einen Rahmen geben, keinen im bildlichen Sinne, sondern in Form eines anderen Ausdrucks, das mit oder ohne Erklärung. Man könnte manches auch als Blödsinn abtun und in den sprichwörtlichen Mülleimer werfen.
Juttas Gabe war letzteres bestimmt nicht. Da gab es diese kleinen wispernden Stimmen, die den Weg, auch für diese besonderen Bilder geebnet haben. Schreib uns, sprich mit uns , aber Du kannst uns auch sehen, wenn Du möchtest. Die Beschäftigung mit Menschen , die uns lieb waren und sind haben Jutta geführt. Sie beschreibt es wie folgt:
Es begann mit einer Schreibunterlage, auf der ich Seiten um Seiten Briefe schrieb an die nicht mehr anwesenden Lieben. Irgendwann floss der Kugelschreiber etwas holprig über die Seiten und ich wollte eine neue Unterlage nehmen. Da sah ich das all die Briefe sich per Druck zu einem sonderbaren Schriftbild vereinigt hatten. Mit Kohle rieb ich es frei und machte ein Foto davon. Später saß ich an einem Vortrag über Theaterfotografie und freute mich über die schönen analogen Schwarzweißfotos, scannte sie ein -und da ist es , glaube ich, passiert. Ich suchte das Schriftbild und legte es über die Szenenportraits, so, das man gerade noch etwas erkennen konnte. Wie aus Sprache Leben wird, das „Wunder“ Theater für mich von Beginn an. Zehn große Bilder waren fertig, da merkte ich , das etwas fehlt, nämlich der Beginn. Ich legte das Schriftbild auf die Gesichter derer , denen ich geschrieben hatte, die als vages Bild auftauchen, indem ich mich an sie wende, undeutlich in der Kontur, aber klar im Wesen. Das Theater war ein Umweg, doch ein ganz und gar richtiger.Aber ich setze die letzten Bilder, das worauf ich zugesteuert bin, hier an den Anfang. Jutta Schwöbel 2020/21
Und dann diese unglaublichen Fotos mit „Schneeflocke“. Ein Rabe, den sie 2 Jahre lang begleitete und ihm diesen Namen gab. Mir war bis dato nicht bewußt, was Raben für unglaublich schlaue Vögel sind. Die schlausten Vögel überhaupt . In meiner Recherche zu Jutta und der Idee mit dem Raben, lernte ich viel verblüffendes , z. Bsp. Das Raben, entgegen eines abwertenden Ausdrucks „Rabeneltern“, ganz im Gegensatz äußerst behütende Vögel mit ihrem Nachwuchs sind. E Ich habe mir vorgestellt, das Jutta mehr die mythologische Geschichte der Raben interessiert hat. Ihnen wird die verbindende Eigenschaft von Himmel und Erde zugeschrieben.Als sprechender Vogel steht der Rabe für Prophezeiung und Erkenntnis. Die beiden Raben Odins sollen Überbringer geheimer Weisheiten sein. Odin selber konnte sich in einen Raben verwandeln. Kommt ein Raven-Totem in dein Leben geflogen, bedeutet das, Magie ist im Spiel .Der Rabe entzündet die Energien der Magie und ermöglicht es ihm, mit unseren Absichten und unserem Willen eins zu werden.In dieser Zeit können große Veränderungen erreicht und Träume können Wirklichkeit werden.Der Rabe wird dir zeigen, wie du in die dunklen Ecken deiner tief vergrabenen inneren Konflikte gehen kannst, indem er die Türen zur tiefsten Kraft der Heilung öffnet, die in unserer Reichweite liegt.
Ich weiß nicht , warum Jutta so fasziniert von Raben war, das sie ihnen so viel Zeit und Raum gegeben hat. Gern würde ich sie heute auch dazu fragen. Vielleicht war es auch ganz anders und dies nur meine Fantasie dazu. Eine Fantasie , die mich zu folgenden Zeilen inspirierte und derzeit ihren Platz zwischen zwei Rabenfotos hat.
Verbunden
Ein Vogel war ich im Traum Mit schwarzem Gefieder und listigem Blick und Glanz auf dem Schnabel bin ich durch Zeit und Raum geflogen.
Besuchte Odin, dem ich ein Zwilling : Gedächtnis und Gedanke war, bot mich als Führer durch die Nacht, hab Angst genommen und Weisheit gebracht.
Tief im Jenseits wart ich verehrt, verband Himmel und Erde . kam ins Diesseits und kam ins Bild, auf dessen Ansicht oft Frage, auch Antwort .
Bin aufgewacht noch im Gefieder, aus krächzen wurden Lieder. Der Schnabel formte sich zum Mund und sprach: in Westeros lass ich mich nieder.
Botenvogel bin ich heute, mein Medium mein Vermächtnis, in Bild um Bild um Bild für Dich als Gestaltenwandlerin bleibe ich.
E.E.
Vielleicht lag Juttas Faszination für T.A. in dem Glauben, gleiche Wellenlängen des Denkens und Fühlens zu teilen. Er soll gesagt haben: eine der dringendsten Aufgaben der heutigen Kunst in dieser Welt ist es: ein harmonisches Verhältnis von Mensch und Natur zu finden.
Dieses Aussage finde ich immer wieder in den Werken von Jutta. An dieser Stelle einen kleinen Schlenker zu einer Serie , die sie „ ANHALTEN-AUSHALTEN nannte. Der Birkenwald, von dem 4 Bilder bei mir zu sehen sind . Ich würde gerne sagen : rein in diese Dichte, in diese Stille und Einatmen und Ausatmen. Augen zu und den Duft von Harz, Laub, Moos , Sporen von Pilzen , natürlicher Verrottung riechen. Nur das gelegentliche Summen von Kleinstgetier und vielleicht ein leises Knacken im Unterholz. Schau ich auf diese Bilder, dann ziehen sie mich in diese Vorstellung. ANHALTEN-AUSHALTEN aber auch :EINATMEN-AUSATMEN.
Und das soll Kunst für mich bewirken. Kein uniformiertes denken, Vorschriften in der Interpretation der Werke, sondern den Geist frei fließen lassen. Nie dem Künstler gefallen, weil………sonst kann es auch vorkommen, das jeglicher Zugang verwehrt bleibt. Kunst und Kultur kitzelt Gefühle und je nach Wirkung lachen, weinen , diskutieren wir, sind erstaunt , inspiriert oder auch annemiert. Was der kunstmachende Mensch sagen möchte , muss nicht immer mit unseren Empfindungen überein stimmen. Berührt uns aber das Werk, hat es eine Bestimmung gefunden. Auch das nur wieder eine vereinfachte Sicht meinerseits .
Ich freue mich , das Frank Schwöbel mich gefunden und sich auf mich eingelassen hat. Er ist auch ein wunderbarer Fotograf , mit eigenen stilistischen Mitteln und Blicken. Mein Dank an ihn und seine Großzügigkeit wird nie enden. Ich vermittelte ihm den noch jungen Verein zur Bewahrung von Künstlernachlässen Westmecklenburg mit Sitz in Parchim , und er übergab diesem Juttas künstlerischen Nachlass kostenfrei. Eine großartige Geste . Wer Lust hat, schaut dort mal rein. Hier wird mit viel Herzblut , Engagement und ehrenamtlich daran gearbeitet, das Oeuvre verstorbener Künstler aus den letzten Jahrzehnten zu bewahren und immer wieder der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Ich weiß nicht, was das Leben mir bezüglich der Kunst als nächstes offeriert. Doch bis zum Jahresende können Jutta Schwöbels Arbeiten zu den Öffnungszeiten in meiner Boutique bestaunt werden . Und wer sich in die Pferdebilder verlieben sollte, es gäbe da noch große Originale , signiert und 1998 in Almaty ausgestellt . Ich freue mich auf kommende Gespräche.